Von Leonie Urbanczyk
Rauch und Schweiß mischen sich auf der Terrasse der Kneipe „Stadtwaldgarten“ mit den Parfüms der Gäste. Eine leicht süße Note und dann wieder eine eher herbere Mischung.
Die Kneipe liegt auf dem direkten Weg von der Straßenbahnstation „Köln, Müngersdorf“ hin zum Stadion des 1. FC Köln. Immer mehr Sonderbahnen kommen an und bringen in Schüben weitere Fans. Auch auf der Terrasse wird es enger. Die Dielen des Holzbodens sind kaum noch auszumachen. Schulter an Schulter reiben sich die roten Trikots, dicke Winterjacken und der feste, aber doch weiche Stoff der Schals aneinander. Um 13.00 Uhr beginnt das Spiel.
Gut zwei Stunden vorher trifft sich der 1. FC Fan-Club „Die Macht am Kölner Rhein“ in der Kneipe. Zwischen Fans mit roten 1. FC Köln Jacken und bestimmt schon 10 Jahre alten Trikots, sticht ein Mann hervor. Es ist Matthias Schlachtmeier, 48 Jahre und seit gut 17 Jahren Dauerkartenbesitzer. Schwarze Sonnenbrille, rot-weißes Stirnband und mit einer hellblauen Jeans-Kutte ausgestattet, die auf seinen Schultern liegt. Sie ist voll mit Aufnähern, Emblemen und dem Logo des Fan-Clubs.
Er steht mit breit aufgestellten Beinen an einem braunen Holztisch direkt neben der Theke. Eine Hand in der Hosentasche, in der anderen das kalte Bier. Links neben ihm steht Michael Vollmer, 54 Jahre und „bestimmt seit 24 Jahren Dauerkartenbesitzer“. Er ist rund einen halben Kopf kleiner als Matthias und fast nur in schwarz-rot gekleidet. Schwarze Jacke, roter Fan-Schal und eine Blue-Jeans, beide Hände sind tief in den Jackentaschen vergraben, die Schultern sind hochgezogen. Unter der schwarzen Jacke blitzt ein wenig Rot hervor. „Selbstgestaltet“ meint Frank. Selbstgemachte Schals, Jacken und T-Shirts, der Fan-Club liebt seinen Verein und „die Stadt“, wirft Michael ein. Der Dritte im Bunde: Frank Hartmann, „gefühlte 20, aber nun doch schon 46 Jahre“ und seit rund 25 Jahren Dauerkarteninhaber. Ein tiefes Lachen erklingt aus dem Mund, auf dem Sekunden später schon ein breites Grinsen zu sehen ist.
Die kahlen Köpfe von Frank und Michael glänzen im Sonnenlicht und die fast frühlingshafte Wärme macht sich auch in den Gesichtern der drei Kölner Originale bemerkbar. Eine leichte Röte mischt sich mit der sonst hellen Haut und in den Bärten der beiden blitzt der ein oder andere Kölsch- und Cola-Tropfen auf. Schon kurz vor 12. In der Kneipe wird es voller und auch Matthias, Michael und Frank begrüßen immer mehr Freunde. „Der Fan-Club ist wie eine Familie“ sagt Frank. Sein Lächeln ist ansteckend, die Augen bekommen ein Schimmern und seine Schultern heben und senken sich beim Lachen. Es wird zusammen „in den Urlaub, ins Sauerland zum Schützenverein und natürlich zu eigentlich jedem Spiel gefahren“. Bei dem Wort „Schützenverein“ gehen Michaels Augenbrauen in die Höhe und mit einem schallenden Lachen fügt er hinzu: „Da sind wir auch nur drin, weil wir besoffen waren.“.
Dieses Jahr ist noch ein ganz besonderes Jahr für den Kölner Fanclub. Sie haben ihr 25-jähriges Jubiläum und so fahren sie auch mal „für eine Woche nach Belfast“. Mittlerweile wird die 1. FC Köln-Hymne in der Kneipe gespielt. Die Zigaretten und E-Zigaretten werden zur Seite gelegt, es wird sich umarmt und mit lauter Stimme mitgesungen: „Freud oder Leid, Zokunf un Verjangenheit“. Die festen aber doch bedachten Schritte folgen dem Takt der Hymne, wenn auch etwas verzögert. Der Boden klebt zu stark. Bier, Cola und Eierpunsch machen es nicht gerade leicht. Eine kurze Pause, ein Schluck vom Bier, bei dem die Schaumkrone nur noch einem Schaumrand gleicht.
„Wir lieben Fußball, Bier und Karneval“. Doch dass jeder deswegen gleich in den Fan-Club kommt, sei nicht so. Matthias spricht von andauernden Anfragen, welche sie jedoch immer ablehnen. Denn genau wie Michaels Tochter, muss „man in den Club reingeboren werden“. In Erinnerungen schwelgend und nur durch tiefe Lacher von Michael und Matthias unterbrochen verfliegt die Zeit wie im Flug.
Zwölf Minuten nach Zwölf, Michael gibt das Startkommando zum Losgehen. Das Spiel beginnt gleich. Es ist Fußballzeit und gut 50.000 spielbegeisterte Kölner und Kölnerinnen werden gleich in dem Stadion erwartet. Der Gegner ist Sandhausen, 16. in der Tabelle und doch wird jeder Platz besetzt sein. Das Rhein-Energie-Stadion ist ausverkauft. Mit einem verschmitzten Lächeln kommt von Michael noch der Hinweis: „wie eigentlich immer“. Mit dem Blick nach unten gerichtet und festen Schritten auf dem nicht mehr ganz matschigen Waldboden geht es zum Stadion. Festes Schuhwerk ist ein Muss. Die Gespräche gehen weiter. „Weißt du noch, damals…“. Der Fan-Club verbindet, gemeinsame Erinnerungen, Freunde und Familie. Doch es gibt auch Probleme. Michaels Blick wird nachdenklicher und eine tiefere Falte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen: „Eine extrem reiselustige Fanbase macht es schwer, an Karten zu kommen.“ So gebe es alleine 700 Auswärts-Dauerkarten, wobei es manchmal nur 3.800 Karten insgesamt für das Spiel gibt. Zwei davon befinden sich jedoch „im Kreise des 1. FC Fan-Club“. Beim Ansprechen der zwei Auswärts-Dauerkarten verschwindet das Runzeln auf seiner Stirn und das immer gegenwärtige breite Grinsen kehrt auf Michaels Gesicht zurück.
Leichter Wind weht durch die Bäume, Fans auf Fahrrädern rasen neben Matthias, Frank und Michael her. Hier und da ertönen Klingeln. Die Sonne gibt immer noch alles. Die anfängliche Röte in den Gesichtern verfliegt jedoch, Jacken werden zugezogen und die Enge trifft einen erneut. Gedränge vor den Einlasskontrollen zum Stadion, ein kurzer Piepton ertönt beim Einstecken der goldenen Dauerkarte, „für besonders langjährige Mitglieder“ meint Michael lachend. Kleine Falten bilden sich jedes Mal beim Lachen um seine sehr hellgrünen Augen, und das passiert ziemlich oft. Knappe 10 Minuten, dann beginnt das Spiel gegen den Vorletzten in der zweiten Bundesliga, den SV Sandhausen. Reihe 7 – Plätze eingenommen. Michael, Frank und Matthias machen sich bereit. Matthias Hand liegt fest auf Michaels Schulter, die Knöchel treten schon fast hervor. Die Glatze von Frank ist einer leuchtenden rot-weißen Köln-Mütze gewichen.
Die Blicke gehen in den Himmel und dann auf das Spielfeld, rauf – runter. Die Augen von Michael glänzen, einmal tief einatmen. Die Hymne. Live-Musik, Akkordeon, Gitarre. Das Trio beginnt, sich hin und her zu wiegen. „Iehrefeld, Raderthal, Nippes, Poll…“. Viva Colonia. Der Schiri greift seine Pfeife und ein schriller Ton ertönt. Das Spiel beginnt.