Von Joshua Steib
Weißer Magnesiumstaub liegt in der Luft. Es ist stickig und riecht nach Schweiß. Flink wie ein Affe hangelt sich eine junge, unscheinbare Frau von Stufe zu Stufe an „Der Treppe“ entlang. Nun kommt der wirklich schwierige Teil: Sie muss ihr komplettes Körpergewicht an fünf schwitzigen Fingern halten, um eine Distanz von rund einem Meter zu greifen. Der Arm zittert, die Finger drohen abzurutschen, die Gesichtszüge ziehen sich zusammen… geschafft! Ein muskulöser Mann, Mitte 20, weitet die Augen und sein Mund öffnet sich vor Erstaunen. Er war kurz davor an demselben Hindernis gescheitert. Ein ganz normaler Tag für Ada Theilken im „Stuntwerk“ Köln. Hier trainiert sie fast täglich für Ninja Warrior. Doch was ist der Ninja-Sport eigentlich?
Ada rollt die Augen und antwortet lachend: „Najaaaa als richtigen Sport kann man das ja nicht bezeichnen. Er setzt sich zusammen aus Bouldern und Parkour.“ Ninja Warrior ist eine ursprünglich japanische Fernsehserie, die, nachdem sie auch in den USA ausgestrahlt wurde, einen riesigen Trend ausgelöst hat. Vor drei Jahren hat dann die kraftfordernde Hindernisshow bis zu fünf Prozent aller Deutschen an einem Abend begeistert, nachdem die Show – mittlerweile zweimal jährlich und in verschiedenen Formaten – bei RTL ausgestrahlt wird. Die Show lebt von der Abwechslung zwischen denen, die die Hindernisse wie Affen überwinden und denen, die sich bei den Hindernissen zum Affen machen.
Jetzt macht Ada eine Verschnaufpause, legt sich auf den Boden, wischt sich den Schweiß aus der Stirn und versucht ihren Herzschlag zu beruhigen. Ada hat sich bei Ninja Warrior beworben, nachdem sie die erste Staffel von der Couch aus genossen und sich danach gedacht hat: „Jo, das kann ich auch!“. In den Monaten vor der Show hat sie sich speziell durch Hangeln, Bouldern und Klettern vorbereitet. All diese schweißtreibenden Aktivitäten haben sie schlussendlich darauf vorbereitet, vor durchschnittlich zweieinhalb Millionen zuschauenden Menschen ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten zu zeigen.
Doch wie geht man mit dem Druck und der Aufregung um, vor so vielen Menschen Sport zu machen? „Wenn dir die ganze Sache Bock macht, dann blendest du das alles aus und gehst durch den Parkour“, meint Ada mit einem Grinsen so breit wie der Rücken von Arnold Schwarzenegger. „Die Wortwitze der Moderatoren hört man aber nicht, während man den Parkour absolviert.“
Der Hindernisparkour von Ninja Warrior sei aber auch weitaus mehr als ein gewöhnlicher Hindernisparkour. Denn es komme nicht nur auf Mucki-Power und Schnelligkeit an, auch Ausdauer, Taktik und Griffkraft seien wichtig, um nicht in das Wasserbecken, das sich unter jedem Parkourhindernis befindet, zu fallen. „Man kann aber meistens mehr, als man denkt, man traut sich halt oft nicht.“ Die Voraussetzung, um bei der Show mitzumachen, ist auf jeden Fall ein Boulder- oder Parkourhintergrund: „Es ist echt ein Wunder, wenn jemand auch nur die Vorrunde übersteht, ohne Vorkenntnisse im Klettern und Parkourlauf zu haben.“ Ein Tipp von Ada für alle Ninja-Interessierten: Klimmzüge trainieren und ab in die Boulderhalle! Noch wichtiger ist aber: „Nicht über Misserfolge aufregen, einfach weitermachen und man wird besser.“
Adas Körperbau ist im Vergleich zu anderen Trainierenden wie ein Mini zu einem Geländewagen. Andere Männer haben oft das Dreifache an Muskeln und schneiden im Parkour trotzdem schlechter ab. Obwohl sie ihren Körper zu Höchstleistungen anpeitschen kann, hat sie weder einen übermäßig großen Bizeps, noch einen zu durchtrainierten Rücken. „Für Ninja-Warrior darf man nicht zu viel Muskeln haben – du musst jedes Gramm an deinen Fingern halten.“
Ihr Lieblingshindernis ist der Radlauf, bei dem es darum geht, von einem in der Luft schwebenden Rad zum anderen zu springen. Ada greift das Rad, nimmt das erste Mal Schwung, das zweite mal, das dritte Mal. Ihre Hände verlassen den Halt des Rads, sie befindet sich komplett in der Luft, steuert auf das zweite Rad zu, berührt es mit den Fingern und… Abgerutscht! Ada fällt…
…mitten hinein in die gut gepolsterte Schnitzelgrube. Sie kommt lachend wieder raus und grölt: „Kann ja nicht immer klappen!“