Der Kontrast der Kölner Innenstadt

Von Sophia Pentinghaus 

Es ist Samstagvormittag. Die Sonne scheint grell und winterliche Kälte liegt in der Luft. Menschenmassen füllen die Gassen der Kölner Innenstadt. Familien, Freunde, und Pärchen schlendern von Laden zu Laden. Ihre Stimmen mischen sich zu einem Rauschen zusammen. Es liegt der Geruch von fettigen Essensständen, blumige Parfüms, gammligen Mülltonnen in der Luft. Und von Hunden.

Am Rand der Straße sitzt Stephan, 54 Jahre alt, vor einem Laden mit seinen zwei Huskys, Rocky und Lucie. Er trägt eine verblasst graue Mütze mit einem weißen Schriftzug am Rand, einen enganliegenden hellgrauen Schall und eine kakifarbene Winterjacke, die farblich seiner Hose ähnelt, schwarze Handschuhe. Er sitzt auf einem kleinen Hocker, der mit einer grauen Decke umwickelt ist. Seitlich hinter ihm ist eine angebrochene Wasserflasche und eine orangene Schale. Rocky, der ein hellblaues und ein dunkles Auge hat und die Streicheleinheit seines Herrchens genießt , und Lucie liegen mit geschlossenen Augen und ruhigem Atmen neben ihm auf zwei blauen Decken, die mit feinen weißen und roten Linien kariert sind. Vor ihnen liegt jeweils ein abgekautes etwas dreckiges Stofftier. Die Stofftiere sind braun und beigefarbene kleine Hunde. Rocky und Lucie tragen 1. FC Köln-Schals.

„Bleibt gesund!“, ruft er mit freudiger und dankender Stimme den Passanten hinterher, die ihm gerade ein paar Münzen in eine kleine, vor ihm liegende, gelbliche Mütze geschmissen haben. Er lächelt zart. Er ergreift schnell das Geld und packt es in seine Jackentasche. Auch wenn er nicht viel bekommt gibt er das meiste seiner Schwester, die an Knochenkrebs erkrankt ist und medizinische Versorgung braucht.

Sie, seine Mutter und sein Bruder wissen nicht, dass Stephan unter einer Brücke in einem kleinen kaputten Pkw lebt, schläft und dass seine Hunde, die einzigen sind, die ihm jetzt nah sind. „Ich will meine Mutter nicht enttäuschen. Das ist die einzige Lüge.“, erklärt er mit seinen Augen auf den Boden gerichtet.

Er hat früher ein Wohnmobil gehabt und auch eine Familie. „Dreieinhalb Jahre habe ich in einer Fleischfabrik in Holland gearbeitet“, erklärt er mit stolzer Stimme. Er ist mit seinem Wohnmobil immer von der Slowakei nach Holland gefahren.

Doch als seine Mutter schwer erkrankt ist und er mit seiner damaligen Frau und seinem Sohn zu ihr fahren wollt, um ihr zu helfen und sie zu pflegen, hatte die kleine Familie einen Autounfall, bei dem alle massiv verletzt wurden. Das Wohnmobil war Schrott. Er verlor seine Arbeit und all sein Geld für die Reparaturen und auch die Versorgung von seiner Familie, die ihn jedoch allein zurückgelassen haben. „Mal hat man Glück, mal passiert etwas Schlechtes.“.

Eine Familie kommt zu ihm. Die Mutter schmeißt ihm etwas Geld in die Mütze und die Kinder fragen, „Dürfen wir auch die Hunde streicheln?“. Er nickt und lächelt die Familie freundlich an. Die Kinder streicheln Rocky und Lucie und bewundern die Tiere, die Eltern lächeln sich an und verfallen in ein Gespräch. Die Familie schlendert nun weiter die bunten und lauten Gassen entlang.

Heute arbeitet er als Reisebusfahrer und spart das Geld, das ihm übrig bleibt für einen neues Wohnmobil, in dem er mit seinen zwei Hunden leben kann und „alles an einem Ort hat, so wie eine Dusche oder eine Küche“, so erklärt er. Er sitzt auf dem Boden einer Kölner Gasse, da er sich nach Unterhaltungen und anderen Menschen sehnt, und kümmert sich liebevoll um die einzigen, die ihm geblieben sind. Seine Hunde. Er spricht mit ihnen und krault sie vertrauensvoll. Seine Augen leuchten. „Männer lieben einfach Hunde“, sagt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Er muss pipi“, meint er plötzlich und verschwindet aus den überfüllten Gassen der Innenstadt mit Rocky, der ihm immer folgt und ihn stets beobachtet. Er kommt wieder. Setzt sich. Und lächelt wieder zart. Er holt zwei Leckerchen aus einer blaugrauen Packung und legt Rocky eins auf seine Decke und Lucie reicht er das Leckerchen, das sie sofort schnappt und zerkaut. Rocky lässt seins jedoch unberührt liegen. „Er ist wohl noch satt“, witzelt er und reicht es ebenfalls Lucie. Stephan umgreift Rockys Kopf und käbbelt spielerisch mit ihm.

„Mein Traum ist es“, so fängt er an schwärmerisch zu erzählen, „eine kleine Wohnung in der Slowakei zu haben; mit meinen Hunden. Sie soll günstig sein und kann auch nur ein kleines Zimmer sein. Ich möchte einfach nur normal leben“.