Von Lara Weber
Es riecht nach Tee und vielleicht ein wenig nach Gummi. Im Hintergrund tönt ruhige Popmusik aus einem alten CD-Spieler. Hinter dem Tresen , auf dem ein Strauß Blumen steht, sitz eine grauhaarige Frau mit Brille. Über ihrer blauen Bluse baumel zwei ebenso blaue Ketten. Türglocken läuten und die erste Kundin für heute betritt den Laden. Die Kundin hat ihre braunen Haare zu einem Bob geschnitten, trägt Jeans und einen unifarbenen Pulli. Sie sucht einen Womanizer, ein Sextoy das die Klitoris stimuliert. „Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden?“ – „ Der hat eine saugende Funktion eingebaut. Das haben die Anderen eher nicht.“ Das Produkt wird an der Hand getestet. Es gibt kein rot werden oder rum gestotterte. Sie ist nicht zum ersten Mal hier.
„Wenn die Frauen zum ersten Mal hier herkommen sind sie oft schüchtern. Dann muss man behutsam auf ihre Wünsche und Vorstellungen eingehen.“ Die Frau hinter dem Tresen ist Gerda Kloth, sie ist 55 Jahre alt und arbeitet seit sechs Jahren in dem Erotik -Laden für Frauen. Sie ist einmal in der Woche hier, immer samstags. Ihr Tag beginnt um elf. Der Laden wurde am 8.3.1995 eröffnet, dem internationalem Frauentag. Das Angebot des Ladens richte sich ausschließlich an Frauen und Paare, Männer haben nur unter bestimmten Bedingungen alleine zutritt. Frau soll sich hier sicher fühlen.
Gerda Kloth war früher im Einzelhandel tätig und war einmal selbst Kundin hier. „Ich habe mich hier immer sehr wohlgefühlt. Die Chefin ist sehr loyal gegenüber Frauen.“ Als hier vor sechs Jahren eine Stelle frei wurde, hat sie das zufällig mitbekommen und die Gelegenheit ergriffen. Hätte man ihr früher gesagt sie würde einmal im Erotik Gewerbe tätig sein hätte sie einem den Vogel gezeigt. „ In einem dieser großen Ketten würde ich niemals arbeiten.“
In dem knapp 40 Quadratmeter großen Raum stehen zwei weiche Sessel zwischen Vibratoren und Dessaus . Hier reihen sich Delphine neben Bananen und neutralen Zylinderformen. Vibratoren sehen nicht aus wie vibrierende Penisse. „ Viele Frauen wollen etwas verspieltes.“ Vor allem lesbische Kundinnen, die Männer körperlich ablehnen, würden keine Kopie eines männlichen Körperteils kaufen. Hautfarben verkauft sich auch nicht gut. Farbe ist gefragt. Grün, pink, blau, schwarz sind am meisten vertreten. Die Ware stehen in Regalen an der Wand entlang, ein weiteres in der Mitte. Es ist voll aber nicht überladen.
„ Die Kundinnen sind alle sehr nett“ Bisher musste sie nur wenige Männer rausschmeißen. „ Ich habe Spaß an meinem Job“ Die Glocke ertönt erneut, ein Pärchen diesmal. Zwei Frauen in den Fünfzigern. Gefolgt von einer weiteren blonden Frau. Sie brauchen keine Hilfe. An einem Samstag kommen durchschnittlich 50 Besucher , die meisten kaufen etwas. Der Großteil der Kundinnen seien Frauen in ihrem Alter. „Weil dann die Kinder aus dem Haus sind und viele der alten Beziehungen in die Brüche gegangen sind.“ Es gibt aber auch deutlich ältere Kundschaft, bis mindestens Anfang 80. „ Manche werden von ihrem Frauenarzt hier her geschickt.“ Um den Nebenwirkungen der Wechseljahre entgegenzuwirken. Gerda rückt und räumt die Ware rum. Früher stand neben dem Laden ein Bordell. Kloth verzieht das Gesicht während sie davon erzählt. Ihre Jeansweste wirft Falten als sie auf die Straße zeigt. Zu der Zeit als das Bordell schloss musste sie oft Männer rauswerfen. Heute passiert das sehr selten. Ab und an stolpert mal einer hinein oder Teenies machen eine Mutprobe daraus. Vor einigen Jahren kam ein geistig labiler Mann herein. „ Ich bin jetzt 50 ich schau Pornos und so`n Zeug.“ – „ Ja aber nicht bei uns.“ Das sei eine ihrer unangenehmsten Erfahrungen gewesen. Schlimmer wurde es nie.
Nachdem Fifthy Shades of Grey raus kam haben sie einige Anfragen in diese Richtung bekommen. Doch Gerda Kloth sagt ganz klar : „ Das ist kein Fetischladen“ Zwar liegen in einer Ecke Masken und Gerten mit Kätzchengesichertern darauf aber erinnern die mehr an Karneval als an knallharte Bondageaktion à la Christian Grey. „Sexualität soll Spaß machen, egal wann“ Gerda grinst. Kunden die mehr in diese Richtung interessiert sind werden an Kollegen verwiesen umgekehrt bekommen auch sie Kunden rübergeschoben.
Ein Mann betritt den Laden er sucht ein Geschenk für seine Frau. Eine weitere Kundin sieht sich noch um. Gerda fragt ob es für sie in Ordnung ist wenn sie denn Mann bedient. Erst als sie zustimmt geht sie zu ihm. Er wird bedient weil er nicht aufdringlich ist, ruhig in der Mitte des Raums steht und nach fachkundiger Beratung fragt. Seine Frau benutzt eine Spirale als Verhütungsmittel. Gerda runzelt die Stirn. Da müsse man vorsichtig sein. Sie ziehen eine Zeit durch die Regale. Doch am Ende verlässt er mit einer diskret verpackten Box den Laden. Schwule werden nicht bedient. Nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung, viele lesbische Pärchen besuchen das Geschäft, sondern weil einfach nichts für Männer angeboten wird. Es gibt nur Frauen Spielzeug, abgesehen von Gleitgel und Kondomen.
„Ich selbst bin in einer Familie aufgewachsen in der offen mit Sexualität um gegangen wird.“ Sie hat keine Kinder aber ihre Freunde wissen Bescheid über ihren Beruf. Manche sind schockiert andere finden das interessant. Einmal kam eine Mutter mit ihrer Tochter. Die Tochter, Anfang 20 ,stand wie versteinert vor dem Tresen während die Mutter durch die Regale zog. „ Das wäre auch mir zu viel gewesen.“ Gerda lächelt. Generell lächelt sie sehr viel, bis hoch zu ihren Augen. Ein andermal wollte eine Mutter einen Vibrator für ihre Tochter kaufen, weil die immer das heiße Wasser unter der Dusche aufbräuchte. Mehr Anekdoten gibt sie nicht preis. Gerda kocht Tee und wartet geduldig auf den nächsten Kunden.